Ranga Yogeshwar: Stimmung gegen Drosten ist Irrsinn

Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar kritisiert den Stimmungsumschwung gegenüber Virologen wie Christian Drosten. "Wir wollen keine analytischen Denker, sondern Erlöser", so Yogeshwar. Welches Leadership er sich jetzt wünscht.

Marc Bartl | 4. Mai 2020 um 11:18

Ranga Yogeshwar

Gerade noch hat Deutschland seine Virologen gefeiert, auf einmal sind sie die Bösewichte. Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar verurteilt den Stimmungsumschwung. Engagierte Wissenschaftler wie Christian Drosten von der Berliner Charité würden auf einmal sogar Morddrohungen erhalten, die berechtigte Warnung der Wissenschaft vor einer zweiten Infektionswelle werde abgetan und stattdessen durch Forderungen nach weiteren Lockerungen ersetzt, sagt er im Interview mit ZDFheute. "Statt die Maßnahmen als Erfolg zu feiern und sich über den bislang glimpflichen Verlauf zu freuen wächst die Kritik an den Experten. Ein Irrsinn: Würden wir die Feuerwehr abschaffen, nur weil es im vergangenen Jahr nicht gebrannt hat?", so Yogeshwar. Tipp: Regierungen und auch Journalisten haben zu spät auf das Coronavirus reagiert, sagt Ranga Yogeshwar im Interview mit Annette Milz im neuen medium magazin. Der Wissenschaftsjournalist erklärt darin, was Journalisten jetzt unbedingt wissen müssen. Yogeshwar erkennt ein Muster und beklagt eine Verschiebung der öffentlichen Stimmung vom Rationalen ins Emotionale. Dafür seien auch Politiker wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verantwortlich, der in der ARD Virologen vorwarf, ständig ihre Meinung zu ändern. Diesen Politikern wirft Yogeshwar vor, "sich allzu oft am Volk zu orientieren, an Umfragewerten und Beliebtheitsskalen, statt den Menschen Orientierungshilfen zu geben". Yogeshwar warnt im Gespräch mit ZDFheute auch vor weiteren und allzu schnellen Lockerungen. Er erinnert an die große Grippe von 1918, die nach dem Aufheben von Kontaktverboten noch einmal zugeschlagen habe. Auch heute gebe es eine brennende Sehnsucht nach einer unbekümmerten Normalität: "Wir wollen keine analytischen Denker, die uns schlechte Nachrichten verkünden und uns weiterhin einsperren wollen, sondern wünschen uns Erlöser, die uns von der Last dieser ansteckenden Geißel befreien." Diesem Wunsch der Bevölkerung müssten allerdings Politikerinnen und Politiker entgegentreten und aufklären: "Es bräuchte jetzt Leadership, also eine aufgeklärte und aufklärende politische Klasse, die in der Lage wäre, den unbequemen Lockdown in seiner Notwendigkeit zu vermitteln und trotz verständlichem Widerstand dafür einzustehen", so Yogeshwar.

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